Veröffentlicht am: 1. Februar 2024|Kategorien: Blog|Schlagwörter: , , , |Kommentare deaktiviert für Die Vielschichtigkeit von Emotionen im Sportunterricht|

Die Vielschichtigkeit von Emotionen im Sportunterricht

Freude, Angst, Scham, Unsicherheit, etc. sind im Sportunterricht allgegenwärtig. Für Sportlehrpersonen sowie Schüler:innen ist es eine wichtige Aufgabe, solche Emotionen wahrnehmen, einordnen und mit ihnen kompetent umgehen zu können. Das Bildungslabor „Emotionen im Bewegungs- und Sportunterricht“ bereitet Lehramtsstudierende im Kontext von empirischer Forschung und der Entwicklung fachdidaktischer Ansätze auf diese Aufgabe vor.

Was sind Emotionen eigentlich?

Emotionen sind Gefühle wie Angst, Scham, Freude oder auch Stolz, die einen konkreten Auslöser haben und zu Handlungstendenzen führen. Sie können mehr oder weniger bewusst und unterschiedlich intensiv erlebt werden. Manchmal, insbesondere wenn die Emotion sehr intensiv empfunden wird, ist z.B. die Dauer der Emotion schwer zu beeinflussen.

Welche Rolle spielen Emotionen beim Sport?

Betrachtet man Emotionen im Zusammenhang mit Bewegung und Sport, so wird von einer Wechselwirkung ausgegangen: Emotionen können einerseits auf das Bewegungshandeln einwirken, z.B. die Wut über das Urteil des Schiedsgerichts in einen Volleyballschlag hineinlegen oder zitternde Beine bei der Ausführung eines Turnelements spüren. Bewegungshandeln kann andererseits auch das Erleben von Emotionen hervorrufen, z.B. Freude, wenn eine Spielkombination im Wettkampf aufgeht.

Das Erleben von Emotion wird geformt über die Wahrnehmung eines Emotion auslösenden Ereignisses, z.B. die Freude über ein Fußballtor, der kognitiven Verarbeitung des Ereignisses, z.B. die Einordnung als bedeutsam, weil es das Team dem Meistertitel näherbringt oder weil es eine lange Serie an Niederlagen beendet, und der damit gekoppelten situativen Verhaltenskomponente, z.B. die Mannschaft wirft sich an der Eckfahne jubelnd übereinander. Das Erleben beinhaltet dann alle mehr oder minder bewussten Inhalte und Vorgänge, die sich aus dem was aktuell ist (Gegenwärtigem), dem was war (Vergangenem) und dem was möglicherweise sein wird (Zukünftigem), zusammensetzt.

Und wie stellt sich das im Sportunterricht dar?

Im Sportunterricht begleiten und beeinflussen die Emotionen das Lernen. Sie stehen in enger Wechselwirkung mit Bewegungsgegenständen, z.B. Fußball, Völkerball, Turnen, Parkour oder Leichtathletik. Es wird davon ausgegangen, dass sich aus Vorerfahrungen mit Bewegungsgegenständen ein emotionales Etikett bildet, das sich im Sportunterricht im Handeln und Erleben zeigt und dieses beeinflusst. Die bloße Betrachtung eines Kastens kann dann eine Emotion hervorrufen, wenn damit ein emotionales Etikett angesprochen wird, das z.B. mit einer Schamerfahrung beim Turnen verbunden ist. Neben dem Bewegungsgegenstand stellt die Gruppe (Schulklasse, Peer Group) einen sozialen Rahmen dar, der das Erleben und Handeln beeinflusst. Zudem ist bekannt, dass die konkrete Unterrichtssituation (Aufgabenstellung, Sozialform, aber auch Unterrichtsklima und Lehrperson) das Erleben von Emotionen wesentlich beeinflusst.

Welchen Auftrag haben Sportlehrkräfte im Zusammenhang mit Emotionen?

Sportlehrkräfte stehen vor der Herausforderung, ihre eigenen Emotionen wahrzunehmen, einzuordnen und zweckmäßig zu regulieren, die Emotionen der Schüler:innen wahrzunehmen und einzuordnen, um ihr Lernen und ihre Entwicklung adäquat begleiten zu können und sie beim Erwerb von Kompetenzen zur Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation zu unterstützen. Diesen Anforderungen zu begegnen ist höchst voraussetzungsvoll. Dies setzt ein profundes Wissen und Verständnis von Emotionen voraus, diagnostische Fähigkeiten zum Erkennen von Emotion, eine sensible und reflektierte Einordnung der Emotion in den Wirkungszusammenhang (was war, was ist, was wird möglicherweise sein) sowie didaktische Handlungsstrategien im Umgang mit der Emotion, z.B. Material variieren oder anpassen, um Schüler:innen ein anderes Bild zu bieten, einen methodischen Zwischenschritt im Bewegungslernen einzubauen, Strategien zum Umgang mit der Emotion anzubieten, etc.

Was möchte das Bildungslabor „Emotionen im Bewegungs- und Sportunterricht“ erreichen und wie wird darin gearbeitet?

Das Bildungslabor ist in verschiedene Lehrveranstaltungen im Lehramtsstudium für Bewegung und Sport an der Paris-Lodron-Universität Salzburg integriert. Dabei sind Dozierende, Studierende, Schüler:innen und Lehrkräfte gleichermaßen involviert. Die übergeordneten Ziele sind die Gewinnung empirischer Erkenntnisse über Emotionen im Sportunterricht, die Entwicklung didaktischer Ansätze für einen angemessenen Umgang mit Emotionen im Sportunterricht sowie die Begleitung von Studierenden beim Erwerb von Fach-, Selbst-, Methoden- und Sozialkompetenzen in Bezug auf das Themenfeld Emotionen.

Ein Beispiel ist die Lehrveranstaltung Schulpraktische Studien, die im zweiten Semester des Masterstudiums für das Lehramt im Fach Bewegung und Sport stattfindet. In dieser Lehrveranstaltung setzen sich die Studierenden intensiv mit konkreten selbstgewählten Themen im Themenfeld Emotionen im Sportunterricht auseinander. In Kleingruppen entwickeln sie dazu Unterrichtsideen, Forschungsfragen und Evaluierungsmethoden, die an der Kooperationsschule BG Hallein im Sportunterricht umgesetzt werden. Im Seminar wird die Umsetzung vorbereitet, eng begleitet und reflektiert.

Wir haben dazu auch mit Frau Ahns über das Bildungslabor gesprochen:

Was lernen Studierende konkret zum Themenfeld Emotionen im Sportunterricht?

„Die Studierenden beschäftigen sich in ihren Kleingruppen ein Semester lang mit einem konkreten Thema, wie z.B. Ausdruck und Umgang mit negativen Emotionen in Spielsituationen, emotionales Erleben von Völkerball und möglicher Varianten, Copingstrategien beim Turmspringen, Umgang mit Angstsituationen beim Turnen, Erleben von Wutsituationen. Sie entwickeln didaktische und methodische Ansätze, um ein solches Thema im Sportunterricht umzusetzen, wie z.B. differenzierte Aufgabenstellungen, Settings zum autonomen Lernen, aber auch konkrete Tools wie Lernjournale oder Emotionsprotokolle, mit denen Schüler:innen ihr Emotionales im Rahmen einer Unterrichtseinheit wahrnehmen und einordnen können. Zudem führen die Studierenden beispielsweise Interviews oder Gruppendiskussionen mit Lehrpersonen oder Schüler:innen und werten diese mit unterschiedlichen qualitativen Verfahren aus (Inhaltsanalyse, Dokumentarische Methode, Grounded Theory), um empirische Einsichten etwa in die Akteurperspektiven auf ihr jeweiliges Thema zu erlangen. In der Lehrveranstaltung reflektieren wir die Erfahrungen der Studierenden aus dem Sportunterricht und aus ihrer Forschung. Im Sinne einer interaktiven Reflexion führen wir zum Beispiel Partner:inneninterviews oder Gruppendiskussionen oder ich begleite die Studierenden beim Führen von Tagebüchern zur introspektiven Reflexion von ihren Vorverständnissen oder persönlichen Erlebnissen und Erkenntnissen.“

Warum ist das Thema Emotionen so bedeutsam?

„Die Beschäftigung mit dem Thema Emotionen ist für mich von besonderer Bedeutung, weil sie eine zentrale Grundlage für professionelles Handeln als Sportlehrkraft bildet. Es ermöglicht, nicht nur die Emotionen der Schüler:innen zu verstehen, sondern auch die eigenen Gefühle zu erkennen, zu regulieren und in angemessener Weise zu reagieren – beispielsweise durch eine passende verbale Kommunikation.

In der Lehrveranstaltung werden vor allem in Reflexionsformaten Verbindungen zu schulischen und gesellschaftlichen Kontexten hergestellt. Dabei werden persönliche emotionale Erfahrungen aus dem Sportverein genauso thematisiert, wie gesellschaftliche Tabus im Umgang mit negativen Emotionen. Diese individuellen Perspektiven werden dann gemeinsam konstruktiv diskutiert. Mein Ziel ist es, einen Beitrag zu einem fachlich versierten und konstruktiv-reflexiven Umgang mit Emotionen zu leisten. Dabei strebe ich auch an, dass diese Kompetenzen und Fähigkeiten eben nicht in abstrakter Form, sondern in einem konkreten Anwendungsbezug erfahren und gebildet werden und sich daraus auch Transferwirkungen auf gesellschaftliche Kontexte entfalten können.“

Einblicke in Erkenntnisse der Studierenden

Im Rahmen der Lehrveranstaltung Schulpraktische Studien führte die Lehrveranstaltungsleiterin Dr. Mareike Ahns eine Gruppendiskussion mit ihren Studierenden, in der diese angeregt waren ihre Erfahrungen, Erkenntnisse und Probleme im Umgang mit ihrem Thema zu reflektieren. Ausgehend von den praktischen Erfahrungen im Umgang mit dem Thema entwickelten die Studierenden in dem diskursiven Format ein Verständnis dafür, dass Emotionen erstens ganz individuell Ausdruck erlangen und dass zweitens eine Diskrepanz zwischen den wahrgenommenen und den gezeigten Emotionen bestehen kann.

Der Ausdruck von Emotion ist individuell

Eine Studierendengruppe berichtete von einer Aufgabenstellung, in der die Schüler:innen angehalten waren unterschiedliche Emotionen darzustellen. In der Planung der Aufgabenstellung folgte die Gruppe einer bestimmten Vorstellung davon, wie diese Emotionen ihren Erwartungen zufolge zum Ausdruck kommen könnten. Während der Umsetzung fanden die Schüler:innen jedoch ganz andere, kreative Darstellungsformen, die die Studierenden überraschten. Sie hinterfragten daraufhin ihre Auffassungen zum Ausdruck von Emotionen und öffnete ihren Blick für weitere, ganz individuelle Darstellungsformen und -möglichkeiten.

Die Emotion ist oft unsichtbar

Um einen tieferen Einblick in das Erleben und die Emotionen der Schüler:innen zu bekommen, haben die Studierenden ausgewählte Schüler:innen befragt. In den Interviews ermutigten die Studierenden die Schüler:innen dazu, ihre Gedanken und Wahrnehmungen des Erlebens und ihre Emotionen im Sportunterricht zu beschreiben. In einem Fall befragte eine Studierendengruppe die Schüler:innen zu ihrem Erleben von negativen Emotionen in Spielsituationen (Kleine Spiele). In dem Zusammenhang berichtete eine Studentin von einem Schüler, der im Sportunterricht sehr passiv wirkte, wenig involviert in das Spielgeschehen war und auch in der gemeinsamen Reflexion des Erlebens wenig Anteil hatte. Sie führte weiter aus, dass sie kaum angenommen, dass seine Befragung zum emotionalen Erleben ergiebig für ihre Forschung sein könne. In der Interviewsituation berichtete der Schüler dann sehr ausführlich und differenziert über sein Spielerleben. Er führte Gedankengänge aus, in denen er Spielsituation sehr wohl emotional bewertete, in denen er Emotionen wie Verärgerung und Wut, aber auch Unsicherheit und Unentschlossenheit als vereinnahmend im Erleben darstellte.

In der Gruppendiskussion reflektierte die Studentin über die Diskrepanz zwischen den Emotionen des Schülers und der (Nicht-)Sichtbarkeit dieser im Verhalten. Sie stellte fest, dass die Forschungspraxis zu ihrem Thema für sie zu einer Erkenntnis geführt habe: das Diagnostizieren von Emotion sei für Lehrkräfte durchaus herausfordernd, da Emotionen oftmals innerlich erlebt und nur bruchstückhaft Ausdruck bzw. Kommunikation erfahren würden. Sie kam zu dem Fazit, dass sie nun viel feinfühliger für das Themenfeld geworden sei, dass die Schüler:innenperspektive für sie erheblich an Bedeutsamkeit gewonnen habe und dass sie das Erleben und die Emotionen der Schüler:innen nun auch konsequenter berücksichtigen wolle. Wenn sie den Schüler:innen die Möglichkeit gäbe, ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle auszudrücken, könnten sich ggf. neue Perspektiven eröffnen, um als Lehrperson besser auf individuelle Bedürfnisse einzugehen und die Emotionen adäquat zu begleiten.

Wenn ihr mehr über das Seminar erfahren möchtet, und bei weiteren Fragen könnt ihr euch gerne direkt an Frau Ahns (mareike.ahns@plus.ac.at) wenden.