Was sind Enabling Spaces?
Die räumliche Dimension des pädagogischen Handelns ist in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt. Die Schularchitektur-Bewegung hat innovative Konzepte eines pädagogisch wertvollen Raums entwickelt. Räume sind nicht nur „Behälter“, die statisch eingerichtet sind und uns wie äußere Hüllen umgeben. Räume strukturieren auch unsere Wahrnehmung mit, beeinflussen unsere Kognitionen und Emotionen und unsere sozialen Erfahrungen. Insofern sind sie viel stärker mit Bildungsprozessen verschränkt, als auf den ersten oder zweiten Blick sichtbar ist.
Unterricht ist so gesehen ein dynamischer sozialräumlicher Prozess, in dem Entwicklung, Abstimmung, Aushandlung und Diskurs stattfindet.
Neben dem architektonischen Raum ist der soziale Raum bedeutsam. Er strukturiert sich in Korrespondenz mit dem architektonischen Raum, dem physischen Raum, heute auch ganz wesentlich mit dem technologisch aufbereiteten digitalen Raum.
In sozialen Räumen erleben wir uns ausgeschlossen oder inkludiert. Die Dynamik der Interaktion, die Zuwendung, Sprecherlaubnis und Ermutigung sich zu beteiligen werden wesentlich durch die Gestalter*innen und Akteur*innen des sozialen Raums bestimmt. Es stellt sich die Frage, ob wir Zugang zu den Technologien des sozialen Raums haben, den wir betreten wollen und sollen, aber auch zu seinen Regeln, Ordnungen und habituellen Mustern und ob wir diese nur vorfinden oder mitgestalten können.
Raum und Räumlichkeit waren immer ein Thema des pädagogischen Diskurses, aber oft auch ein unsichtbares Thema. Umso determinierender waren und sind die Wirkungen der pädagogischen Räume. Der pädagogische Raum ist keine objektive Gegebenheit, sondern eine Form der Konstellation mit Umgebungen, Dingen (materiellen und ideellen) und Menschen, die gestaltbar ist. Eine bestimmte Konstellation von Themen, Menschen und gemeinsamen Interessen erzeugt – sofern Menschen sich als autonom und zugleich zugehörig erleben können – ein Klima des guten Willens zur gemeinsamen Arbeit. Solche Räume, die zugleich intellektuelle Räume werden, wollen wir errichten.
Unterricht ist so gesehen ein dynamischer sozialräumlicher Prozess, in dem Entwicklung, Abstimmung, Aushandlung und Diskurs stattfindet. Hier entstehen die „Objekte“ als Bildungsgegenstände in der Interaktion, im Zeigen, Vorführen, Erfinden und Variieren.
ENABLING SPACES knüpft hier an. Zugang zu haben ist viel, aber zu wenig, wenn es um die Gestaltung geht. Die Räume der Salzburger Bildungslabore, die architektonischen Räume, Labore, Hörsäle und Seminarräume, die wir öffnen, sind begehbar und gestaltbar. Die sozialen Interaktionen sollen ermöglichen, dass ein Raum der Bildung entsteht. In diesem treffen Akteur*innen aufeinander, die voneinander gleichberechtigt lernen wollen: Schüler*innen, Lehramtsstudierende, Lehrpersonen, Wissenschafter*innen. Von Zeit zu Zeit laden wir auch Vertreter*innen bestimmter sozialer Teilsysteme oder Spezialist*innen aus Fachgebieten ein, die etwas zu einem unserer konkreten Themen, die wir gemeinsam in der Unterrichtsentwicklung betreiben, beizusteuern haben. Wir erweitern den Raum des Diskurses.
ENABLING SPACES sind Entwicklungsräume, denn Wissen und Bildung entwickeln sich, brauchen – wie es heißt – Zeit und Raum. In diesen Wissensräumen können Schüler*innen auch neue Antworten auf Fragen finden, die sich in Enabling Spaces an den Lerngegenständen und den sozialen Beziehungen entzünden, die nicht voneinander zu trennen sind. Wir denken nicht, dass man Wissen von menschlichen Beziehungen und Emotionen trennen soll. Vielmehr lassen ENABLING SPACES die Verschränkung zu, an der sich Bildung ereignet.
Uns ist wichtig, dass dieser Bildungsraum weitgehend von Konkurrenz frei bleibt, auch vom Urteilen und Verurteilen. Der Wettbewerb soll ein Wettbewerb der Fragen und Antworten sein, in dem der Prozess gleich viel zählt wie das Produkt. Wir plädieren für einen Begriff von Begabungsförderung, der Begabung auch als Gabe an die Gruppe versteht. Schüler*innen sollen in einen Begabungsraum eintreten.
ENABLING SPACES sind keine verlängerten Klassenzimmer oder Hörsäle. Es sind neue Third Spaces, in denen im Zwischen etwas Neues entsteht, ein kultureller Raum der Beziehung von Universität, Hochschule, Schule und Gesellschaft.
Ulrike Greiner